Fachvortrag: Glockenguss in Halberstadt

Von Unbekannt | 14. November 2003

Am 14.11.2003 um 20.00 Uhr waren 15 Kollegen ins Vereinslokal „Zur Glocke“ gekommen, um sich den Vortrag „Glockenguss in Halberstadt“, den Herr W. Clören von den Eisenberger Klebsand Werken hielt, anzuhören. Herr Clören, der bei der Vorbereitung und Ausführung des Glockengusses zu Halberstadt maßgeblich beteiligt war, hatte einen interessanten und kurzweiligen Vortrag vorbereitet. Beim Glockenguss war er für die Feuerfestauskleidung der Schmelzöfen der Pfannen und der Transport/Gießpfanne zuständig (Bild der Pfanne).

Es gibt viele Geschichten, die von seltsamen Glocken, von Glöcknern und von Glockengießern erzählen. Eine moderne Glockensage hat sich 1999 in Halberstadt erfüllt. Die größte Glocke des Domgeläuts, die sogenannte „Domina“, wurde fünfmal vernichtet und ist nun zum sechstenmal wiederauferstanden. Die letzte wurde 1942 während des Zweiten Weltkrieges vom Turm genommen und für Rüstungszwecke eingeschmolzen. Am 3. September 1999 wurde die „Domina“, eine der größten Glocken Deutschlands (8,2 t), neu gegossen. Seit 485 Jahren fand in Halberstadt erstmals wieder ein Glockenguss unter freiem Himmel statt. Dieses Ereignis wurde vom Verein „Roland Initiative Halberstadt e.V.“, der 1995 gegründet wurde und dem heute etwa 90 eingetragene Mitglieder aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft angehören, initiiert.
Mit der Herstellung der Glocke wurde die Kunstgießerei Lauchhammer beauftragt. Der Zeitplan sah vor, daß sie am 31. Oktober, dem Reformationstag, auf ihren Platz im Glockenstuhl verbracht werden sollte. Das bedeutete, daß der Guß spätestens am 3. September 2003 erfolgen mußte. Als man begann die Grube auszuheben, stießen die Bauarbeiter auf Dutzende von Skeletten und sogar auf einen germanischen Sarkophag. Archäologen und Denkmalpfleger stoppten die Arbeit und sicherten die Fundstücke in der 13 mal 13 Meter großen und 4,50 Meter tiefen Grube. Diese Verzögerung gefährdete den Zeitplan für den Aufbau der Form, welche den beachtlichen unteren Durchmesser von 2,25 Metern haben sollte. Die Glockengießer arbeiteten mit Hochdruck, um den Zeitverlust aufzuholen. Dank des heißen Sommerwetters trocknete die Form schneller als gewöhnlich, so daß am vorgesehenen Termin, dem 3. September, im Rahmen eines riesigen Volksfestes und in Anwesenheit höchster Würdenträger von Staat und Kirche der Guß vollzogen werden konnte. Allerdings konnte die benötigte Menge Bronze, nicht an Ort und Stelle hergestellt werden. Die „Neuen Harzer Werke“ im 18 Kilometer entfernten Blankenburg halfen aus. Dort wurden die nötige Schmelze aus Kupfer und Zinn, auf ca. 1300 Grad erhitzt und in einer Thermopfanne, die von der Polizei eskortiert wurde, nach Halberstadt transportiert. Nachdem der Tieflader mit der Schmelze um ca. 22.00 Uhr auf dem Platz vor dem Dom, auf dem einige tausend Menschen gespannt gewartet hatten, eintraf, konnte der Guß beginnen. Nach dem Fallen des letzten Bronzetropfens erklangen die sämtliche Domglocken von Halberstadt um die neue Schwester willkommen zu heißen.
Drei Wochen dauerte das Auskühlen der Form, erst dann wurde sie ausgeschalt und die mühsame Arbeit des putzens begann. Ende Oktober kam der spannende Moment des ersten Anschlagens, das alle aufatmen ließ. „Es ist ein wunderbarer Glockenton,“ stellte der Glockensachverständige fest. Am 31. Oktober wurde die „Domina“ dann nach alter Väter Sitte per Hand in den Glockenstuhl gehievt. Am 3. Adventssonntag wurde sie geweiht, und in der Nacht der Jahreswende konnte das durch sie komplettierte Domgeläut zum ersten Mal vollzählig erklingen.